„Vom Gottesdienst zur Multireligiösen Schulfeier zum Schuljahresende“. Begleitung und Entwicklung an der Knauer-Grundschule in Nürnberg-Gostenhof

 

Es braucht genügend Vorlaufzeit, ein gutes Kollegenteam vor Ort und eine religionssensible Atmosphäre in Schule und Schulleitung, damit die Herausforderung traditionelle Formen christlicher Schulgottesdienste in einer für die Schulfamilie passenden Weise weiterentwickeln können. An vielen Schulen sind nach dem Aussetzen von Gottesdienstfeiern im Raum der Schule Abbrüche festzustellen; gerade an Schulen mit einem hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund und v.a. Islam als Religion wird z.T. auch durch Schulleitungen in Frage gestellt, ob es überhaupt noch religiösen Schulfeiern geben kann. Nur wo es gelingt, diese Anfragen konstruktiv aufzunehmen und Feierformen sensibel weiterzuentwickeln, können religiöse Feiern auch weiterhin für Schüler und Kollegium wichtige spirituelle Wegmarken des Schuljahres bleiben.

Auf Einladung von Pfarrerin Gabi Wedel ins Fachschaftsteam Religion durfte ich, Thomas Amberg von  BRÜCKE-KÖPRÜ, diesen spannenden Prozess von April bis Juli in mehreren Treffen begleiten. Entscheidend zum Gelingen beigetragen hat, dass im Team neben den konfessionellen Lehrkräften auch mit Yaʂar Gül ein Lehrer für das Fach Islamische Religion dabei war. Wünschenswert, wenn auch hier nicht der Fall, wäre eigentlich auch die Beteiligung von Fachkollegen, die parallel Ethik unterrichten und diese Perspektive einbringen könnten.

Zunächst gilt es bei einem ersten Treffen auszuloten, was eigentlich die Entwicklung hin von bisherigen christlichen Gottesdienstfeiern (evtl. schon mit muslimischen Gastbeiträgen) hin zu einer multireligiösen Feier wirklich bedeutet. Können, wollen alle im Team diese Entwicklung mitgehen? Was bedeutet es hier auch „Trauerarbeit“ zu leisten und Liebgewordenes gehen zu lassen, weil es eben nicht mehr der Realität der Schulfamilie und dem Wunsch einer Feier für alle gerecht wird.

Um den Paradigmenwechsel vom christlichen Gottesdienst hin zu einer Multireligiösen Feier wirklich zu gehen, scheint es mir wichtig, hier Aspekte in den Blick zu nehmen, die oft nicht beachtet werden:

Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Vorbereitung verschiebt sich von den christlichen Fachlehrern auf die Schulleitung und das Kollegium als Ganzes. Auch die oft traditionelle Ortswahl „Kirche“ ist nicht mehr per se unhinterfragt. Vielleicht gibt es andere „neutralere“ Orte, wie Turnhalle oder Aula. Schließlich ist auch nicht mehr ausschließlich die Grundstruktur eines christlichen Gottesdienstes die „Matrix“ für den Ablauf.

Damit wirklich Begegnung auf Augenhöhe stattfinden kann und spirituelle Übergriffigkeit vermieden wird, ist darauf zu achten, dass die beteiligten Religionsgemeinschaften, wirklich eigenständige Perspektiven entwerfen dürfen und ihre unterschiedlichen Traditionen einbringen können.

Wie schließlich geht man mit dem Ritual eines rituell zugesprochenen Segens am Ende einer Feier um, das es im islamischen Gebet nicht in einer Weise gibt, wie sie in christlich-jüdischen Tradition bekannt ist? Was bedeutet die Suche nach einer multireligiösen Feierform schließlich auch für die Möglichkeit gemeinsam zu singen? Geht es einfach nur darum „neutrale“, eigentlich christliche Kinderlieder zu wählen oder sollte hier mehr passieren?

Ausgehend von diesen Fragen entstand schließlich eine Feierform, die bewusst nicht mehr als „Gottesdienst“ sondern „Feier“ tituliert wurde. In der Frage nach dem passenden Raum „gewann“ schließlich trotz alternativer Überlegungen, aus praktischen Gründen die Jakobskirche, da nur hier Raum für 350 Schüler*innen vorhanden ist.

Die Begrüßung gestalteten Pfarrerin Gabi Wedel und Islamlehrer Yaʂar Gül rund um das „Gott sei Dank“, auf Arabisch: „al-hamdu-li-llah“… wofür wir am Ende eines Schuljahres dankbar sind. Schüler*innen mit verschiedenen religiösen Hintergründen trugen dann Dankgebete aus verschiedenen Perspektiven vor.

Als Ausgangspunkt für eine „Verkündigung auf Augenhöhe“ hatten wir uns statt wie bisher üblich eine biblische Geschichte auf ein Bilderbuch als Ausgangspunkt für verschiedene religiöse Zugänge verständigt:  „Irgendwie Anders“ aus dem Oetinger Verlag, eine Geschichte, um Ausgrenzungsdynamik und die Suche nach Gemeinschaft in Unterschiedlichkeit. Schüler einer 4. Klasse setzten dieses mit Sprecherrollen und Pantomime um. Islamische und christliche Perspektiven auf das Thema schlossen sich an, mit Bezügen zu Sure 49, 13 und dem paulinischen Bild vom „Leib und vielen Gliedern“.

Den Höhepunkt der Feier markierte eine Kreativaktion, bei der alle 13 Grundschulklassen, einen Ausschnitt ihres Schulgebäudes mit den Fingerabdrücken aller Schüler*innen gedruckten. Abschließend wurden diese Teilstücke dann zu einem bunten Ganzen, bei dem Jede und Jeder ein sichtbarer und wichtiger Teil ist.

Auch musikalisch nahmen Musikpädagogin Marie-Laure Dubreil-Steinkrug diese Grundidee der Feier auf: sie entwickelte mit allen (!) Schüler*innen gemeinsam die vierstimmige Klangmotette „Obstsalat“, die Äpfel, Bananen, Kiwi und Ananas zu einem Klangerlebnis werden ließen, das mehr Geschmack hat, als eine einzige Obstsorte. Neben dem „Einfach Spitze“-Lied und dem „Kindermutmachlied“ sagen alle Kinder quasi als Segen das wunderbare „Salem Alaikum-Lied“ aus dem Liederbuch „Ein Schubidu geht um die Welt. Multikulti-Mitmach-Liederbuch für Kita, Hort und Schule Verlag“ Herder Aufl./Jahr: 1. Aufl. 2015.